EIN FEINERES SIEB FÜR DIE ANLAGERICHTLINIE

Der Stellenwert von Nachhaltigkeit in der Gesellschaft, der Politik und der Wirtschaft nimmt stetig zu. Auch in der Geldanlage spielt dieses Thema eine immer bedeutendere Rolle. Während sich die Politik noch darüber streitet, ob die Atom- und Gasindustrie als nachhaltig einzustufen ist und einige Finanzinstitute fleißig Greenwashing betreiben, hat die Stadt Verl einen eigenen Weg eingeschlagen, um ihren Spezialfonds noch nachhaltiger aufzustellen.
Vergangenen Donnerstag haben wir im Rahmen eines Workshops in Kooperation mit M.M. Warburg & CO eine Richtlinie entwickelt, welche den zukünftigen Umgang der Geldanlagen der Stadt Verl hinsichtlich der Faktoren Environment, Social und Governance (ESG) regeln soll.
 
Neben diversen anderen Aspekten haben wir uns auch dem Thema Branchenausschlüsse gewidmet. Es gibt viele umstrittene Branchen wie beispielsweise Alkohol, Tabak oder Glücksspiel, die Anleger nicht im Portfolio haben möchten. Dies kann allerdings zu ungewollten Ergebnissen führen, welche zulasten der Portfolio-Diversifikation gehen. Doch wo zieht man die Grenze, damit Branchenausschlüsse aus portfoliotheoretischer Sicht praktikabel bleiben und das Portfolio die Interessen des Investors widerspiegelt?
Angenommen Alkohol würde aus dem Investmentuniversum ausgeschlossen. Dann dürfte der Vermögensverwalter zum Beispiel keine Aktien mehr der Unternehmen Lufthansa und Coca-Cola kaufen, da beide Unternehmen einen geringen prozentualen Anteil ihres Umsatzes mit Alkohol erzielen. Denken Sie unter anderem an die Möglichkeit des Erwerbs von alkoholischen Getränken an Bord eines Flugzeugs. Bei der Intention Alkohol zu begrenzen, wird wahrscheinlich eher an Unternehmen wie Pernod & Ricard (z.B. Ramazzotti) oder Heineken gedacht. Um diesen Wunsch gezielter umzusetzen, besteht die Möglichkeit, den Umsatz, den die Unternehmen mit Alkohol generieren, zu beschränken. Bei einer Beschränkung des Umsatzes bis maximal 5% würden die letztgenannten Unternehmen als reine Alkoholhersteller aus dem Investmentuniversum ausgeschlossen, wohingegen Lufthansa und Coca-Cola weiter Bestandteil wären. Damit wird das Investmentuniversum nicht unnötig eingeschränkt und der Anleger kann seine konkreten Vorstellungen realisieren.

Auch für die Stadt Göttingen bestand der Bedarf nach einem Update der eigenen Anlagerichtlinie. Gemeinsam mit uns wurde die bestehende Struktur granularer gestaltet und an die aktuellen Marktgegebenheiten angepasst. Kernpunkte waren dabei die Ermittlung und Definition von Ertrags- und Risikozielen. Ohne klar definierte Ziele ist es unseres Erachtens schwierig diese auch zu erreichen. Aus diesen Zielen wurde im zweiten Schritt ein sinnvolles Investmentuniversum abgeleitet. Darin sind grobe Kriterien wie beispielsweise Länderrestriktionen bis hin zu kleinteiligen qualitativen Faktoren, die ein einzelner Emittent mindestens erfüllen muss, enthalten. Im Gegensatz zu Verl war das Thema Nachhaltigkeit bereits mittels Ausschlüssen vertreten. Diese wurden um einen Best-in-Class-Ansatz erweitert, damit sichergestellt werden kann, dass das Gesamtportfolio über die Ausschlüsse hinaus überwiegend in Unternehmen und Ländern investiert ist, welche auch nachhaltig agieren. Kontrolliert wird dies mithilfe des MSCI-ESG Portfolioratings, welches bei der Stadt Göttingen mindestens AA (zweitbeste Ratingkategorie) betragen muss.

Wir freuen uns, dass wir mit den neuen Anlagerichtlinien für die Städte Verl und Göttingen einen Beitrag dazu leisten konnten, dass die kommunalen Steuergelder in Zukunft kontrollierter, umsichtiger und nachhaltiger investiert werden.

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